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Emotionen verstehen – Coregulation lernen – Probleme lösen

  • Autorenbild: Antje Homfeldt
    Antje Homfeldt
  • 15. Juli
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 16. Juli

Wie du deinem Hund durch innere Ruhe Sicherheit gibst


Du liebst deinen Hund. Du möchtest ihn verstehen, ihm ein gutes Leben ermöglichen, ihn fördern – und manchmal einfach nur einen friedlichen Alltag genießen. Doch es gibt diese Momente, in denen alles kippt: Dein Hund bellt, zieht, reagiert heftig – und du spürst, wie dein eigenes Nervensystem in Alarmbereitschaft geht. Vielleicht wirst du laut. Vielleicht ziehst du dich zurück. Vielleicht fühlst du dich überfordert.

Und genau hier beginnt etwas Entscheidendes: Nicht beim nächsten Trainingsschritt. Nicht beim besseren Kommando. Sondern bei dir. Bei dem Gefühl in der Situation. Bei deiner inneren Haltung.

Denn dein Hund braucht dich nicht nur als Weggefährten. Er braucht dich als regulierte, präsente Bezugsperson. Als Mensch, der Sicherheit ausstrahlt – auch wenn es gerade stürmt.

„Nervensysteme sind ansteckend.“ Verena König, Traumatherapeutin, Autorin

Was bedeutet Selbstregulation?


Selbstregulation ist die Fähigkeit, die eigenen Emotionen, Gedanken und Impulse bewusst zu steuern – statt von ihnen gesteuert zu werden. Das ist besonders wichtig, wenn dein Hund starke Gefühle zeigt: Frust, Angst oder Aggression.


Typische Situationen:

  • Dein Hund will zu einem anderen Hund, darf aber nicht → er bellt, springt, zieht.

  • Ein lautes Geräusch oder fremde Umgebung → dein Hund duckt sich, zittert.

  • Begegnung mit einem fremden Hund → dein Hund fixiert, knurrt, geht nach vorn.

In solchen Momenten braucht dein Hund dich – nicht als strenge Führungskraft, sondern als ruhigen, klaren Pol. Als jemand, der selbst reguliert ist und dadurch Sicherheit vermittelt.

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Coregulation bedeutet, dass du deinem Hund hilfst, sich zu beruhigen – durch deine Atmung, deine Stimme, deine Körpersprache und deine innere Haltung. Wenn du ruhig bist, kann dein Hund sich an dir orientieren. Wenn du gestresst bist, überträgt sich das auf ihn.

Dein Hund braucht nicht deine Perfektion – er braucht deine Präsenz.

Warum fällt uns Selbstregulation so schwer?


Selbstregulation ist eine Schlüsselkompetenz für ein erfülltes Leben. Und doch erleben viele Menschen, wie schwer es ist, innerlich ruhig zu bleiben. Warum?


1. Unser Gehirn liebt Belohnung

Unser Belohnungssystem ist darauf ausgelegt, kurzfristige Bedürfnisse zu befriedigen. Der präfrontale Cortex, zuständig für Selbstkontrolle, muss ständig gegen das limbische System ankämpfen, das nach sofortiger Befriedigung strebt. Stress, Müdigkeit oder emotionale Überforderung schwächen diesen Kontrollmechanismus zusätzlich.

2. Emotionen überrollen uns

Negative Gefühle wie Angst, Frustration oder Scham können unsere Fähigkeit zur Selbststeuerung blockieren. Wenn wir keine Strategien gelernt haben, mit diesen Emotionen umzugehen, übernehmen sie das Steuer – und wir handeln impulsiv oder ziehen uns zurück.

3. Die Welt fordert uns heraus

In einer Welt voller Ablenkungen, Leistungsdruck und ständiger Vergleichbarkeit (z. B. durch Social Media) wird Selbstregulation zur täglichen Herausforderung. Wir sind permanent überstimuliert – und verlieren dabei leicht den Kontakt zu unseren inneren Werten und Zielen.

4. Fehlende Strategien

Viele Menschen haben nie gelernt, wie man sich selbst reguliert. Stattdessen reagieren sie automatisch – auf Stress, Kritik oder Versuchung. Selbstregulation braucht Übung, Selbstmitgefühl und realistische Erwartungen. Perfektionismus hingegen sabotiert sie oft.


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Abschalttraining: Ruhe lernen – gemeinsam


Abschalttraining ist eine stille Einladung. Es ist die Möglichkeit, deinem Hund beizubringen, sich in deiner Nähe trotz Reizen zu entspannen – ohne Aktion. Es ist kein Kommando, sondern eine gemeinsame Erfahrung von Sicherheit.

So geht’s:

  1. Wähle einen ruhigen Ort – zuhause oder draußen.

  2. Setze dich ruhig hin – ohne Handy, ohne Ablenkung.

  3. Dein Hund ist einfach bei dir – anfangs vielleicht unruhig. Eine kurze Leine ist hilfreich.

  4. Du atmest bewusst, bleibst ruhig – dein Hund spürt das. Lausche Geräuschen, konzentriere dich auf etwas, dass du sehen kannst. Spüre, wie du innerlich zur Ruhe kommst.

  5. Nach und nach kommt auch dein Hund zur Ruhe – Stell dir vor, dein Hund würde bei dir Ruhe tanken. Bleibe in der Situation, bis er vollkommen entspannt ist.

  6. Der nächste entscheidende Schritt besteht darin, die Ablenkung behutsam zu steigern und sich in eine Umgebung mit vielfältigen Reizen zu begeben. Verweilt dort, bis dein Hund vollständige Entspannung gefunden hat. Was hierbei zählt, ist nicht die Dauer des Aufenthalts, sondern die Art und Weise, wie ihr die Situation verlasst. Genau auf diese Weise lernt dein Hund mit deiner einfühlsamen Unterstützung, auch in einer reizvollen Umgebung zur Ruhe zu kommen und zu entspannen.


Was hilft dir, dich selbst zu regulieren?


1. IFS – Internal Family Systems

Wenn dein Hund dich triggert – z. B. durch Aggression oder Frust – sind oft innere Anteile aktiv: das überforderte „Kind“, der strenge „Antreiber“, der ängstliche „Vermeider“. IFS hilft dir, diese Anteile liebevoll zu erkennen und zu begleiten. Du wirst ruhiger, klarer – und dein Hund spürt das.

  • Nimm Kontakt auf mit deinen Anteilen.

  • Ergründe welche gute Absicht sie für dich haben und wovor sie Angst haben.

  • Versuche ihre Beweggründe wirklich zu verstehen.

  • Mach dir die Teile in der nächsten schwierigen Situation bewusst und hilf ihnen sich zu entspannen.

  • Sobald du etwas Raum zwischen dir und deinen Teilen spürst, bist du ihren Emotionen nicht mehr ausgeliefert und kannst ihm helfen sich zu beruhigen.

„Dein Hund hört nicht nur deine Stimme – er spürt deine inneren Stimmen.“

2. Atmung als Soforthilfe

Deine Atmung ist der direkteste Weg zur Selbstregulation. Sie ist immer verfügbar. Sie ist dein Anker.

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Übung:

  • 4 Sekunden einatmen

  • 6 Sekunden ausatmen

  • Wiederhole das mehrmals – vor jeder Hundebegegnung, bei Frust, bei Angst

  • spüre wie du dich entspannst und innerlich Ruhe einkehrt

  • Bleibe mit einem Teil deiner Aufmerksamkeit bei deinem Atem


3. Im Hier und Jetzt landen

Hunde leben im Moment. Wenn du gedanklich in der Zukunft („Was, wenn er gleich ausrastet?“) oder Vergangenheit („Letztes Mal war es schlimm“) bist, verlierst du die Verbindung.

Frage dich:

  • Was sehe ich gerade? Konzentriere dich auf etwas das vor dir, das du sehen kannst.

  • Was hörst du gerade. Nimm die Geräusche war ohne sie zu bewerten oder zu erklären.

  • Spüre deine Füße am Boden und richte deine Aufmerksamkeit voll und ganz darauf aus.

  • Was spüre ich in meinem Körper? Spüre ohne Wertung, als neutraler Beobachter.

  • Wenn mein inneres ein Gewässer ist, wie ist es? Spüre, wie es sich beruhigt wenn du ihm Aufmerksamkeit schenkst.


Fazit: Dein Nervensystem ist der Schlüssel


Dein Hund braucht dich – nicht perfekt, nicht immer stark, sondern echt. Er braucht deine Ruhe, deine Klarheit, deine Bereitschaft, bei dir selbst anzukommen. Denn in deiner inneren Stabilität findet er Orientierung. In deiner Atmung findet er Entspannung. In deiner Präsenz findet er Vertrauen.

Wenn du dich selbst liebevoll regulierst, öffnest du einen Raum, in dem dein Hund sich sicher fühlen darf – auch mit seinen Emotionen, auch mit seinen Herausforderungen. Und genau dort beginnt Veränderung. Nicht durch Druck, sondern durch Verbindung.

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„Nervensysteme sind ansteckend.“ Was du in dir beruhigst, beruhigt auch deinen Hund.

Du musst nicht alles wissen. Du musst nicht alles können. Du darfst einfach da sein – atmend, fühlend, verbunden.


Quelle: vgl. Verena König (Traumatherapie & Nervensystemregulation), Lisa Schröter (Blog zu Selbst- und Coregulation), Ineke Eilers (KiTa-Fachtext zu Selbst- und Ko-Regulation), „Selbstregulation spielerisch fördern“ (SpringerLink), Helpers Circle Podcast (Folge zu Regulationsstrategien)

 
 
 

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