Die ersten Wochen mit deinem Welpen – Gemeinsam Vertrauen wachsen lassen
- Antje Homfeldt

- 16. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Ein neuer Anfang
Ein kleiner Welpe zieht ein – und mit ihm ein ganz neues Kapitel voller Nähe, Neugier und leiser Momente. Vielleicht hast du schon lange auf diesen Tag gewartet. Vielleicht kam er ganz plötzlich. Aber eines ist sicher: Die ersten Wochen mit deinem Welpen sind etwas ganz Besonderes. Sie sind der Anfang einer Beziehung, die auf Vertrauen, Geborgenheit und gegenseitigem Verstehen wachsen darf.
In dieser Zeit geht es nicht um perfekte Erziehung oder schnelle Fortschritte. Es geht darum, einander kennenzulernen, Sicherheit zu schenken und eine Bindung aufzubauen, die euch ein Leben lang trägt. Dieser Beitrag begleitet dich durch diese ersten, kostbaren Wochen – mit liebevollen Impulsen und achtsamen Gedanken.

Bindung beginnt mit Nähe – bei Kindern wie bei Hunden
Wenn ein Welpe bei dir einzieht, beginnt eine Beziehung, die der zwischen Eltern und Kindern erstaunlich ähnlich ist. Genau wie ein Kind braucht auch ein Welpe vor allem eines: Geborgenheit, Nähe und Orientierung.
In der bindungsorientierten Erziehung bei Menschen geht es darum, dem Kind durch liebevolle Präsenz und verlässliche Reaktionen Sicherheit zu geben. Eltern sind der sichere Hafen, von dem aus Kinder die Welt entdecken – und zu dem sie zurückkehren, wenn etwas beängstigend ist.
Auch Hundemütter handeln instinktiv bindungsorientiert: Sie sind ständig in der Nähe ihrer Welpen, wärmen sie, putzen sie, nähren sie und setzen sanft Grenzen. Die Welpen lernen durch diese Nähe, dass sie geschützt sind – und dass sie sich auf ihre Mutter verlassen können.
Diese Art der Beziehung kannst du als Mensch ebenfalls aufbauen. Du wirst für deinen Welpen zur Bezugsperson, zur Vertrauensquelle, zur sicheren Basis. Und genau das ist der Schlüssel für ein harmonisches Miteinander.
1. Präsenz und Vertrauen: Der Grundstein eurer Bindung
Dein Welpe kommt in eine völlig neue Welt. Alles ist fremd – und vielleicht auch ein bisschen beängstigend. Deine ruhige, verlässliche Präsenz ist jetzt das Wichtigste.
Der erste Tag: Zeig ihm sein neues Zuhause, seinen Schlafplatz und wo er sich lösen kann. Bleib ruhig und gelassen. Schau ihn nicht permanent an, das stresst ihn und er könnte auf die Idee kommen, dass er eine wichtige Rolle hat und du dich an ihm orientierst.
Gemeinsame Zeit: Verbringe viel Zeit mit ihm – nicht nur beim Spielen, sondern vor allem auch beim ruhigen Zusammensein. 18-20 Stunden Schlaf braucht ein Welpe um seine Eindrücke gut verarbeiten zu können und sich zu Erholen.
Positive Verknüpfung: Jede Interaktion sollte angenehm und sicher sein. Dein Welpe lernt durch deine Stimmung, Körpersprache und Nähe. Grenzen sind nötig, Schimpfen gefährdet die Bindung. Setze Grenzen nur klar und ruhig, nicht emotional und gestresst. Achte gut auf dich und atme im Zweifel tief statt zu reagieren.
2. Nähe und Distanz - Alleinsein lernen
Auch wenn dein Welpe deine Nähe liebt, muss er lernen, für kurze Zeit allein zu sein. Das fördert seine Selbstständigkeit und hilft ihm, zur Ruhe zu kommen.
Rückzugsort schaffen: Eine Box oder ein Körbchen, das nur ihm gehört und wo er nicht gestört wird, ist ideal.
Schrittweise Gewöhnung: Verlass den Raum für wenige Minuten und steigere die Dauer langsam.
Ruhige Rituale: Kein Drama beim Gehen oder Kommen – das hilft ihm, gelassen zu bleiben und die Situation als belanglos zu erleben.
3. Stubenreinheit – mit Geduld und Verständnis
Die ersten Wochen mit deinem Welpen sind auch die Zeit, in der er lernt, wo und wann er sich lösen darf. Stubenreinheit ist kein Gehorsamstraining, sondern ein Lernprozess, der auf Beobachtung, Vertrauen und liebevoller Begleitung basiert.
Rhythmus statt Druck
Welpen können ihre Blase erst ab etwa 12 Wochen bewusst kontrollieren. Als Faustregel gilt: Lebensmonat = Stunden, die sie ungefähr einhalten können. Ein 2 Monate alter Welpe sollte also etwa alle 2 Stunden die Möglichkeit bekommen, sich draußen zu lösen.
Bring ihn regelmäßig nach draußen:
direkt nach dem Aufwachen
nach dem Fressen oder Trinken
nach dem Spielen oder Toben
vor dem Schlafengehen
Zeichen erkennen
Dein Welpe zeigt oft deutlich, wenn er „muss“:
Unruhiges Umherlaufen
Intensives Schnüffeln
Drehen im Kreis
Blick zur Tür oder Winseln
Wenn du diese Zeichen wahrnimmst, geh ruhig und zügig mit ihm nach draußen – am besten zu einem festen, ruhigen Ort.
Kein Schimpfen – nur Verständnis
Unfälle passieren. Bitte niemals bestrafen oder schimpfen. Dein Welpe macht das nicht aus Trotz – er lernt gerade erst, seinen Körper zu verstehen. Kommentarloses Aufwischen und ein liebevoller Neustart sind der beste Weg. Wenn er sich draußen löst freue dich ehrlich mit ihm.
4. Entspannung lernen: Abschalten im belebten Umfeld
Welpen saugen Eindrücke auf wie ein Schwamm – doch zu viele Reize können überfordern. Deshalb ist es wichtig, gezielt Ruhe zu fördern.
Feste Ruhezeiten: Auch wenn er noch spielen möchte – Pausen sind wichtig. Auch wenn die Kinder sich im Haus bewegen, sorge dafür dass dein Welpe trotzdem schlafen kann.
Entspannungstraining draußen: Einfach mal beobachten statt interagieren. Setzt euch regelmäßig in ein spannendes Umfeld und beobachtet gemeinsam, bis er vollkommen entspannt ist. Das ist eine perfekte Grundlage für einen Hund der später überall gelassen bleiben und dich jederzeit begleiten kann.
setzt euch in einen Park
auf eine Wiese am See am Sonntagnachmittag
an die Straße
an einen Acker wo der Bauer mäht
auf den Parkplatz am Supermarkt
in ein Café
fahrt mit dem Boot - wenn das zu eurem Leben gehören soll
bleibt öfter mal im Auto sitzen - natürlich nicht, wenn es warm ist - und schaut euch das Treiben draußen an
Überforderung erkennen: Gähnen, Schütteln oder übermäßiges Schnüffeln sind Warnzeichen. Milder Stress ist normal, dein Welpe sollte es schaffen zur Ruhe zu kommen, sonst ist es noch zu schwer. Beginne dann einfacher, mit weniger Reizen oder mit mehr Distanz.

5. Artgenossen treffen: Sozialverhalten entwickeln
Der Kontakt zu anderen Hunden ist essenziell für die soziale Entwicklung deines Welpen.
Kontrollierte Begegnungen: Freundliche Althunde oder andere Welpen sind ideal.
Deine Rolle: Sei sicherer Hafen und greif ein, wenn das Spiel zu grob wird oder dein Welpe überfordert ist.
Körpersprache lesen: Erkenne, ob dein Welpe sich wohlfühlt oder eine Pause braucht.
6. Warum klassische Konditionierung nicht nötig ist
In der klassischen Hundeerziehung (formales Lernen) wird oft mit festen Kommandos und Belohnungssystemen gearbeitet. Doch dieser Ansatz kann die Beziehung zum Hund auf ein reines Reiz-Reaktions-Muster reduzieren. Was dabei verloren geht, ist die emotionale Tiefe und das gegenseitige Verständnis, das eine echte Bindung ausmacht.
Verhalten wird mechanisch: Der Hund reagiert auf Reize, nicht auf Beziehung.
Abhängigkeit von Belohnung: Ohne Leckerli kein Mitmachen – das schwächt die natürliche Verbindung und funktioniert in der Krise ohnehin nicht.
Stress durch Druck: Wenn der Hund nicht „funktioniert“, entsteht Frust – beim Menschen und beim Tier.
Fehlende Selbstregulation: Der Hund lernt nicht, Situationen zu verstehen oder sich selbst zu beruhigen.
Stattdessen entsteht echte Kooperation durch Vertrauen, Nähe und Kommunikation auf Augenhöhe. Benutze gern gleiche Worte, wenn du etwas von ihm möchtest. Er wird es schon bald mit Verhalten und Situationen verknüpfen, ganz ohne Belohnung und Bestrafung. Das braucht vielleicht etwas mehr Zeit ist aber dafür nachhaltiger, weil er es nicht nur für die Belohnung tut.

7. Klare Regeln geben Sicherheit
Regeln sind wichtig – aber sie müssen nicht durch Kommandos vermittelt werden. Dein Welpe liest deine Körpersprache, deine Stimmung und deine Konsequenz. Er versteht wenn dein Verhalten deinen Überzeugungen entspricht.
Keine Ausnahmen: Was später verboten sein soll, ist auch jetzt tabu – liebevoll, aber klar.
Konsistenz statt Kontrolle: Wenn du etwas nicht möchtest, bleib ruhig und bestimmt – und bleib dabei.
Grenzen setzen lernen: Nicht jeder Wunsch wird erfüllt. Das stärkt deine Führungsrolle und gibt deinem Welpen Sicherheit. Auch die Hundemutter ist ab ca. der 6. Woche nicht immer verfügbar und zieht sich häufiger zurück.
Begegnungsstress vorbeugen: Wenn du nicht möchtest dass dein Hund später auf alle Artgenossen und Passanten zugeht, halte ihn jetzt zurück oder signalisiere durch ruhiges weitergehen, wie wenig du dich für die Artgenossen interessierst. Handle als Vorbild.
8. Besucher willkommen – aber bitte mit Feingefühl
Wenn dein Welpe neu bei dir ist, erlebt er jeden Tag wie ein kleines Abenteuer. Neue Gerüche, neue Geräusche – und neue Menschen. Besucher sind dabei eine spannende Erfahrung, aber auch eine sensible Situation. Denn dein Welpe lernt gerade, wer ihm Sicherheit gibt und an wen er sich orientieren kann.
Damit er dich als seine feste Bezugsperson wahrnimmt, ist es hilfreich, wenn Gäste sich zurückhaltend und ruhig verhalten. Nicht aus Distanz – sondern aus Respekt für den Bindungsaufbau. Letztlich möchtest du ja nicht das dein erwachsener Hund vollkommen ausflippt wenn Besucher kommen. Es ist also hilfreich schon jetzt zu vermitteln: "Besuch ist für dich gar nicht spannend, sondern ganz normal".
Was du deinen Besuchern liebevoll mitgeben kannst:
„Lass ihn erst mal ankommen.“ Gib deinem Welpen die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob er Kontakt aufnehmen möchte.
„Er lernt gerade, wer ihm Halt gibt.“ Bitte darum, dass Erziehung, Spiel oder Ansprache erst mal bei dir bleiben.
„Ein ruhiger Empfang hilft ihm, sich sicher zu fühlen.“ Körpersprache und Energie wirken stark auf Hunde – je entspannter der Besuch, desto besser für deinen Welpen.
So lernt dein kleiner Begleiter: „Meine Menschen sind für mich da. Sie geben mir Orientierung – und alle anderen sind nette Gäste.“ Das stärkt eure Bindung und hilft ihm, sich in seinem neuen Zuhause geborgen zu fühlen.
Fazit: Beziehung statt Dressur
Die ersten Wochen mit deinem Welpen sind eine kostbare Zeit. Sie legen den Grundstein für eure gemeinsame Zukunft. Mit Verlässlichkeit, Geduld und liebevoller Führung entsteht eine Beziehung, die auf Vertrauen basiert – ganz ohne Kommandos, aber mit viel Herz.

🐾 Deine Checkliste für den Start:
[ ] Schlafplatz und Rückzugsort eingerichtet
[ ] Erste Regeln definiert und mit der Familie abgestimmt
[ ] Gemeinsame Ruhezeiten geplant
[ ] Erste Begegnungen mit Artgenossen organisiert
[ ] Besucher informiert und eingebunden
[ ] Geduld und Gelassenheit geübt 😉



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